ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland
Öffentlichen Pressekonferenz vom 25. Januar 2024
Liebe Gemeinden,
am 25. Januar 2024, ist in einer öffentlichen Pressekonferenz die sog. ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie in Deutschland veröffentlicht worden. Sie war von der EKD beauftragt worden.
ForuM ist ein unabhängiger wissenschaftlicher Forschungsverbund.
Die wissenschaftlichen Ergebnisse dieser Studie sollen die Grundlage bilden für weitere dringend nötige Schritte der Aufarbeitung in der evangelischen Kirche.
Die erste Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Studie haben viele Menschen in unseren Gemeinden und unserer Kirche sehr getroffen, nachdenklich gemacht, beschämt, verunsichert und viele Fragen ausgelöst.
Es zeigt und bestätigt sich, dass auch in unserer evangelischen Kirche viele, zu viele, Menschen sexualisierte Gewalt erfahren haben. Durch Pfarrpersonen, durch haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende. Da, wo sie Menschen der Kirche vertrauten, wurde ihr Vertrauen bitter gebrochen und sie wurden schwer an Leib und Seele beschädigt, woran viele ein Leben lang zu tragen haben. Diese Erfahrungen gehen an die Substanz. Denn Menschen gaben und geben uns in Kirche und Diakonie einen hohen Vertrauensvorschuss, weil sie sich darauf verlassen haben, dass wir uns ja noch vor einem Höheren, vor Gott, vor Jesus Christus und dem Gebot seiner Liebe verantworten. Mit den Taten sexualisierter Gewalt durch Haupt- und Ehrenamtliche in unserer Kirche, wurde diesen Menschen die Liebe Jesu selbst verdunkelt. Das ist eine schwere Schuld. Manche haben ihren Glauben verloren.
Wir begreifen, dass dies keine „Einzelfälle“ sind. Die Studie hat mit vielen betroffenen Personen umfangreiche Interviews geführt und zeigt auf, dass es auch in unserer evangelischen Kirche bestimmte Bedingungen in der gelebten Kultur, in Strukturen und auch geistlichen Haltungen – also im „System“ gibt, die sexualisierte Gewalt begünstigen. Es gilt, diese Wahrheit erst einmal anzunehmen und auszuhalten, miteinander und im ehrlichen Gebet.
Mit den harten wissenschaftlichen Erkenntnissen wollen und werden wir uns mit allem Ernst auseinandersetzen. Auch hier in Gemeinden und Kirchenkreis werden wir daran arbeiten, die begünstigenden Bedingungen für sexualisierte Gewalt in unserer Mitte zu überwinden. Wir wollen in allen kirchlichen und diakonischen Bereichen geschützter Raum für Menschen sein. Dem dient jetzt bereits unsere Arbeit für die Prävention in unseren Schutzkonzepten und in den vielen Schulungen für Haupt- und Ehrenamtliche.
Aber es muss viel weiter und tiefer gehen. Alle miteinander müssen wir als Gemeinde Jesu Christi eine Haltung finden, das Leid betroffener Menschen wahrzunehmen und ernst zu nehmen und Konsequenzen aus den Ergebnissen der Studie zu ziehen.
Das bedeutet auch konsequente Schritte der Aufdeckung und Aufarbeitung von Taten sexualisierter Gewalt. Daran werden auch unser Kirchenkreis und unsere Gemeinden in Abstimmung mit unserer Landeskirche arbeiten und alles dafür Nötige tun. Das schließt ein, dafür transparente Einsicht in Personalakten und andere Unterlagen der vergangenen Jahrzehnte zu gewährleisten und sie einer wissenschaftlich-fachlichen Sichtung zur Verfügung zu stellen.
Dazu gehört auch eine gerechte finanzielle Anerkennungsleistung für betroffene Menschen.
Das sind Schritte, die unter der Federführung unserer Landeskirche bzw. der Landeskirchen und der Diakonie Rheinland, Westfalen und Lippe nun vorbereitet und in Gang gesetzt werden. Betroffene Personen werden intensiv daran beteiligt. Es wird eine unabhängige Aufarbeitungskommission geben.
Diese Arbeit werden wir nach Kräften unterstützen. Niemand hat Interesse, das Unrecht, das geschehen ist, zu vertuschen. Im Gegenteil: Wir stehen und sehen uns voll in der Verantwortung.
Wir bekennen als evangelische Kirche die Schuld. Wir bitten Gott um seinen Geist, dass Menschen durch uns Segen erfahren und nicht Fluch.
Ihre Ilka Federschmidt, Superintendentin
Wort des Präses der Rheinischen Kirche zur ForuM-Studie
Liebe Geschwister, am 25.1.2024 wurden die Ergebnisse der ForuM-Studie veröffentlicht. Sie bietet eine eingehende Analyse zu sexualisierter Gewalt in unserer Kirche und Diakonie, zu den Strukturen und Bedingungen, die sie begünstigen. Das Leid der Betroffenen, die Anzahl der Fälle und das institutionelle Versagen sind erschütternd. Wie viele andere fühle ich Entsetzen, Ärger und tiefe Scham angesichts dessen, was Menschen in unseren Gemeinden und Einrichtungen erleiden mussten. Als Betroffene Hilfe und Aufklärung suchten, stießen sie in unserer Kirche zu lange und zu oft auf taube Ohren – und sie erfahren dies noch immer: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Als evangelische Kirche sind wir unserem eigenen Anspruch im Umgang mit Betroffenen nicht gerecht geworden. Sexualisierte Gewalt gehört zur Schuld unserer evangelischen Kirche. Es braucht ein Hören auf die Betroffenen und darauf, was wir aus der Studie lernen können. Aufarbeitung ist die Voraussetzung, um sexualisierter Gewalt wirksam vorzubeugen. Betroffene haben ein Anrecht darauf. Und sie ist ein dauerhafter Prozess, den wir weiter verfolgen – ohne jedes Ansehen von Person und Institution. Die Landessynode hat in ihrer Tagung im Januar ihren klaren Willen bekundet, sexualisierte Gewalt in unserer Kirche klar und konsequent zu begegnen. Als Präses bitte ich Sie daher: Sprechen Sie das Thema offen an. Hören Sie Betroffenen zu. Helfen Sie aufzuklären und vorzubeugen. Zugleich möchte ich Sie bitten, gemeinsam in Stille und Gebet das
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Gebet
Gott, Du siehst das Leid und Unrecht, das Menschen erleiden mussten: in unseren Gemeinden, in unseren Einrichtungen, in unserer Kirche. Du weißt auch, wie oft ihnen nicht zugehört oder geglaubt wurde. Wir bitten dich für alle, die sexualisierte Gewalt erleiden mussten: Lindere die tiefen Verletzungen ihrer Seele. Lass sie offene Ohren und Hilfe finden. Stell ihnen Menschen an die Seite, die sie begleiten und stärken. Und lass uns selbst solche Menschen für andere sein. Wir bitten dich für unsere Kirche und unsere Gemeinden: Mach ein Ende mit allem Wegsehen und Nichtwahrhaben wollen. Schenk uns den Mut, aufzuklären, nachzufragen, vorzubeugen. Nur die Wahrheit wird uns freimachen. Gott, hilf uns einzukehren, um umzukehren. Vergib uns, wo wir Betroffenen nicht gerecht geworden sind. Schenk uns deinen Geist der Wahrheit und mach uns frei von den falschen Idealbildern von uns selbst. Das bitten wir dich durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Bruder und Herrn. Amen.